7-1-29. Über die Reduktion der Abelschen Integrale und die Theorie der Fuchsschen Funktionen

Meine Herren! Ich habe die Absicht, Ihnen heute über die Reduktion der Abelschen Integrale im Zusammenhang mit der Theorie der automorphen und insbesondere der Fuchsschen Funktionen vorzutragen.

Ein System von Abelschen Funktionen von pp Variabeln und 2p2p Perioden heißt reduzibel, wenn es sich auf ein System von qq Variabeln und 2q2q Perioden (q<p)(q<p) zurückführen läßt. Hierbei ist es von vornherein von Wichtigkeit, zwei Fälle zu unterscheiden:

Im ersten Falle soll es möglich sein, das System SS Abelscher Funktionen von pp Variabeln durch eine algebraische Kurve CC vom Geschlechte pp zu erzeugen. Ebenso soll das System SS^{\prime} von qq Variabeln aus der Theorie eines algebraischen Gebildes vom Geschlechte qq entspringen.

Dieser unser erste Fall ist aber bekanntlich nicht der allgemeine; denn die Kurve CC hängt nur von 3p-33p-3 Konstanten ab, während die allgemeinen Abelschen Funktionen von pp Variabeln p(p+1)2\frac{p\left(p+1\right)}{2} Parameter enthalten. Dadurch ist der zweite der beiden Fälle gegeben, die wir unterscheiden. In diesem Falle nämlich soll mindestens eines der beiden Systeme SS, SS^{\prime} nicht aus der Theorie der algebraischen Gebilde entspringen.

In meinem heutigen Vortrag will ich mich durchaus auf den erstgenannten Fall beschränken. Aber auch dann muß ich noch zwei Fälle unterscheiden. Wir knüpfen nämlich unsere Betrachtungen an die beiden algebraischen Kurven CC und CC^{\prime} an. Im Falle der Reduzibilität besteht zwischen beiden eine algebraische Korrespondenz. Die Beschaffenheit derselben liegt der in Aussicht gestellten Fallunterscheidung zugrunde.

Der erste Fall ist der folgende. Vermöge der Korrespondenz ist jedem Punkte MM von CC ein und nur ein Punkt MM^{\prime} von CC^{\prime} zugeordnet, während umgekehrt jedem Punkte von CC^{\prime} nn Punkte von CC entsprechen. Ich nenne dann nn die charakteristische Zahl der Korrespondenz und sage, CC ist eine vielfache Kurve von CC^{\prime}.

Der eben genannte erste Fall ist aber nicht der allgemeine. Das ist vielmehr der nun folgende zweite. Hier nämlich besteht die Korrespondenz nicht zwischen einzelnen Punkten MM und MM^{\prime}, sondern zwischen Systemen von Punkten M1,,MνM_{1},\dots,M_{\nu} von CC mit den Koordinaten x1,y1;;xν,yνx_{1},y_{1};\dots;x_{\nu},y_{\nu} und M1,,Mν{M_{1}}^{\prime},\dots,{M_{\nu}}^{\prime} von CC^{\prime} mit den Koordinaten x1,y1;;xνyν{x_{1}}^{\prime},{y_{1}}^{\prime};\allowbreak\dotsc;\allowbreak{x_{\nu}}^{% \prime}{y_{\nu}}^{\prime}. Jedem System auf CC soll dabei ein und nur ein System auf CC^{\prime} entsprechen, während umgekehrt einem System auf CC^{\prime} im allgemeinen mehrere Systeme auf CC zugeordnet sind. Ich sage dann, CC ist eine pseudovielfache Kurve von CC^{\prime}.

Im erstgenannten Falle sind xx^{\prime} und yy^{\prime} rationale Funktionen von xx und yy, während im zweiten nur geschlossen werden kann, daß jede rationale und symmetrische Funktion der (x1y1,,xνyν)({x_{1}}^{\prime}{y_{1}}^{\prime},\dotsc,{x_{\nu}}^{\prime}{y_{\nu}}^{\prime}) eine rationale Funktion der (x1y1,,xνyν)({x_{1}}{y_{1}},\allowbreak\dotsc,\allowbreak{x_{\nu}}{y_{\nu}}) ist. Es ist leicht zu sehen, daß jede Kurve CC, die eine vielfache von CC^{\prime} ist, auch eine pseudovielfache der Kurve CC^{\prime} ist. Umgekehrt aber habe ich mehrere Beispiele bilden können dafür, daß nicht jede pseudovielfache Kurve von CC^{\prime} auch eine vielfache von CC^{\prime} ist. Ich will jedoch hier nicht näher darauf eingehen, zumal da sich meine folgenden Darlegungen durchaus an den ersten Fall anschließen werden.

Im Falle der Reduzibilität unserer Integrale ist es möglich, ihre Periodentabelle auf eine besondere Normalform zu bringen. Die folgenden beiden Beispiele mögen eine Anschauung von der Beschaffenheit derselben geben.

1) q=1q=1; p=3p=3. Die Periodentabelle kann auf die folgende Form gebracht werden:

2iπ00h2iπα002iπ02iπαab002iπ0bc.\begin{array}[]{cccccc}2\text{i}\pi&0&0&h&\frac{2\text{i}\pi}{\alpha}&0\\ 0&2\text{i}\pi&0&\frac{2\text{i}\pi}{\alpha}&a&b\\ 0&0&2\text{i}\pi&0&b&c.\end{array}

2) q=2q=2; p=4p=4. Die normierten Perioden sind hier:

2iπ000ab02iπα02iπ00bc2iπαβ0002iπ002iπαβab0002iπ2iπα0bc.\begin{array}[]{cccccccc}2\text{i}\pi&0&0&0&a&b&0&\frac{2\text{i}\pi}{\alpha}% \\ 0&2\text{i}\pi&0&0&b&c&\frac{2\text{i}\pi}{\alpha\beta}&0\\ 0&0&2\text{i}\pi&0&0&\frac{2\text{i}\pi}{\alpha\beta}&a^{\prime}&b^{\prime}\\ 0&0&0&2\text{i}\pi&\frac{2\text{i}\pi}{\alpha}&0&b^{\prime}&c^{\prime}.\end{array}

Die Zahlen α\alpha, β\beta bedeuten in beiden Tabellen ganze rationale Zahlen.

Ich definiere nun noch eine zweite charakteristische Zahl κ\kappa. Sie gibt die Ordnung der Thetafunktion von qq Variabeln an, in die eine Thetafunktion erster Ordnung von pp Variabeln im Falle der Reduzibilität transformiert werden kann. Im ersten Beispiel ist κ=α\kappa=\alpha, im zweiten κ=αβ\kappa=\alpha\beta. Die beiden charakteristischen Zahlen nn und κ\kappa sind nun immer einander gleich. Ich habe zwei Beweise für diesen Satz gefunden, die ich jetzt in ihren Grundzügen auseinandersetzen will.

Erster Beweis. Seien MM und MM^{\prime} zwei Abelsche Integrale erster, zweiter oder dritter Gattung der Kurve CC. Ich denke mir die zugehörige Riemannsche Fläche irgendwie längs 2p2p von einem Punkte ausgehenden nichtzerstückenden Rückkehrschnitten kanonisch aufgeschnitten. Dann mögen MM und MM^{\prime} die folgenden Perioden besitzen:

M\displaystyle M :x1,x2,,x2p,\displaystyle:x_{1},x_{2},\dots,x_{2p},
M\displaystyle M^{\prime} :y1,y2,,y2p.\displaystyle:y_{1},y_{2},\dots,y_{2p}.

Ich muß nun eine charakteristische fundamentale Bilinearform definieren. Ich setze nämlich:

F(x,y)=M𝑑MF(x,y)=\int{MdM^{\prime}}

wo das Integral längs der ganzen Kontur der Zerschneidung erstreckt werden soll. Wenn xx, yy Normalperioden sind, so nimmt F(x,y)F(x,y) die folgende Form an:

F(x,y)=κ=1p(x2κ-1y2κ-x2κy2κ-1).F(x,y)=\sum\limits_{\kappa=1}^{p}\left(x_{2\kappa-1}y_{2\kappa}-x_{2\kappa}y_{% 2\kappa-1}\right).

Nehme ich an, es sei MM eines der reduziblen Integrale, dann drücken sich seine 2p2p Perioden ganzzahlig und linear durch nur 2q2q Perioden ω1,,ω2q\omega_{1},\dots,\omega_{2q} aus. Ich habe also dann:

xκ=j=12qmκjωj\displaystyle x_{\kappa}=\sum\limits_{j=1}^{2q}m_{\kappa j}\omega_{j} (κ=1,2,,2p),\displaystyle(\kappa=1,2,\dots,2p),

wo die mκm_{\kappa} ganze rationale Zahlen bedeuten. Wenn nun MM und MM^{\prime} Integrale erster Gattung sind, dann ist bekanntlich

F(x,y)=0F(x,y)=0

Wenn man in diese Gleichung die Ausdrücke der xx durch die ω\omega einsetzt, so bekommt man eine bilineare Gleichung zwischen den yy und ω\omega, die in der folgenden Form geschrieben werden kann:

j=12qHjωj=0\sum\limits_{j=1}^{2q}H_{j}\omega_{j}=0

Seien nun u1,,upu_{1},\dots,u_{p} pp linear unabhängige Integrale erster Gattung von CC. Dann können wir setzen:

U=μ1u1+μ2u2++μpupU=μ1u1+μ2u2++μpup\begin{array}[]{llllllll}U&=\mu_{1}u_{1}&+&\mu_{2}u_{2}&+&\dots&+\mu_{p}u_{p}% \\ U^{\prime}&={\mu_{1}}^{\prime}u_{1}&+&{\mu_{2}}^{\prime}u_{2}&+&\dots&+{\mu_{p% }}^{\prime}u_{p}\\ \end{array}

Die vorläufig noch unbestimmten Koeffizienten μ\mu^{\prime} sollen nun so bestimmt werden, daß sie den 2q2q linearen Gleichungen:

Hj=0\displaystyle H_{j}=0 (j=1,2,,2q)\displaystyle(j=1,2,\dots,2q)

genügen. Wenn man dann noch beachtet, daß diese 2q2q Gleichungen nicht linear unabhängig sind, sondern daß zwischen ihnen qq Relationen

Hjωj=0\sum H_{j}\omega_{j}=0

bestehen, so ist leicht zu erkennen, daß auch M1M_{1} reduzierbar ist, und daß, so wie MM einer Schar von qq reduziblen Integralen angehört, auch MM^{\prime} ein Element einer (p-q)(p-q)fach unendlichen linearen Schar von reduziblen Integralen ist. Doch dies nur nebenbei.

Ich bemerke nun, daß HjH_{j} eine lineare Funktion der yκy_{\kappa} ist, sodaß ich schreiben kann:

Hj=i=12phijyi\displaystyle H_{j}=\sum\limits_{i=1}^{2p}h_{ij}y_{i} (j=1,2,,2q),\displaystyle(j=1,2,\dots,2q),

wo die hijh_{ij} ganze rationale Zahlen sind. Aus den miκm_{i\kappa} und den hiκh_{i\kappa} kann ich nun zwei Tabellen von je 2q2q Kolonnen und 2p2p Zeilen bilden. Aus beiden kann ich gewisse qq-reihige Determinanten bilden. Ich bezeichne die der mm mit DD und die aus denselben Zeilen der hh gebildete mit DD^{\prime}. Dann setze ich

J=DD.J=\sum{DD^{\prime}}.

JJ ist nun in dem folgenden Sinne eine invariante Zahl: Sie bleibt ungeändert, wenn man irgendeines der Periodensysteme xx oder ω\omega durch ein äquivalentes ersetzt. Dabei heißen zwei Periodensysteme äquivalent, wenn sie sich ganzzahlig und linear durcheinander ausdrücken lassen. Man kann nun einerseits beweisen, daß

J=κ2,J=\kappa^{2},

andererseits aber, daß

J=n2.J=n^{2}.

Daraus kann man folgern, daß

κ=n.\kappa=n.

Das ist der erste Beweis. Der nun folgende

Zweite Beweis ist wesentlich kürzer. Er beruht auf dem Vergleich der zu SS und SS^{\prime} gehörigen Bilinearformen F(x,y)F(x,y) und Φ(ω,ω)\Phi(\omega,\omega^{\prime}). Man hat nämlich einerseits

F(x,y)=nΦ(ω,ω),F(x,y)=n\Phi(\omega,\omega^{\prime}),

andererseits

F(x,y)=κΦ(ω,ω).F(x,y)=\kappa\Phi(\omega,\omega^{\prime}).

Daraus schließt man

κ=n.\kappa=n.

Ich komme nun zum Zusammenhang der Reduktionstheorie mit der Theorie der Fuchsschen Funktionen.

Bekanntlich definiert jede algebraische Kurve CC ein System von Fuchsschen Funktionen. Nun kann man die Tatsache, daß CC ein Vielfaches von CC^{\prime} ist, auch folgendermaßen ausdrücken. Es ist immer auf mannigfache Weise möglich, der Kurve CC^{\prime} eine Grenzkreisgruppe GG^{\prime} und CC eine ebensolche Gruppe GG zuzuordnen, sodaß GG eine Untergruppe von GG^{\prime} ist. Ist im besonderen CC ein nn-faches von CC^{\prime}, dann ist GG eine Untergruppe vom Index nn von GG^{\prime}. Man erhält daher einen Fundamentalbereich von GG dadurch, daß man nn geeignet gewählte Fundamentalbereiche von GG^{\prime}, die durch die Operationen von GG^{\prime} auseinander hervorgehen, aneinander lagert. Das Polygon PP von GG erscheint dann in nn Polygone P(β)P^{\prime}(\beta) eingeteilt, die einem Polygon PP^{\prime} von GG^{\prime} im Sinne der nichteuklidischen Geometrie kongruent sind.

Ich bezeichne die Seiten des Polygons PP^{\prime} mit γ(α)\gamma(\alpha) und die homologen Seiten von P(β)P^{\prime}(\beta) mit γ(α,β)\gamma(\alpha,\beta). Die Seiten γ(α,β)\gamma(\alpha,\beta) liegen entweder im Innern oder auf dem Rande von PP. Ich nehme nun an, die Seite γ(α)\gamma(\alpha^{\prime}) gehe aus γ(α)\gamma(\alpha) vermöge einer Operation von GG^{\prime} hervor. Wenn nun γ(α,β)\gamma(\alpha,\beta) auf dem Rande von PP liegt, dann gibt es eine weitere Seite γ(α,β)\gamma(\alpha^{\prime},\beta^{\prime}) auf diesem Rande, die mit γ(α,β)\gamma(\alpha,\beta) vermöge einer Operation von GG konjugiert ist. Wenn jedoch γ(α,β)\gamma(\alpha,\beta) im Innern von PP liegt, so existiert eine derartige von γ(α,β)\gamma(\alpha,\beta) verschiedene Seite nicht, sondern es fallen γ(α,β)\gamma(\alpha,\beta) und γ(α,β)\gamma(\alpha^{\prime},\beta^{\prime}) zusammen und bilden die gemeinsame Seite von P(β)P^{\prime}(\beta) und P(β)P^{\prime}(\beta^{\prime}). Aber wie dem auch sei, jedenfalls entspricht jeder Seite γ(α)\gamma(\alpha) von PP^{\prime} eine Permutation der nn Ziffern 11, 22, \dotsc, nn.

Eine der eben durchgeführten ganz ähnliche Betrachtung können wir auch für die Ecken von PP^{\prime} anstellen. So wie wir nämlich die Seiten in Paare zusammenfaßten, so können wir die Ecken in Zyklen einteilen, so daß die Ecken eines Zyklus auseinander durch die Operationen von GG^{\prime} hervorgehen. Jedem solchen Zyklus kann wieder eine bestimmte Vertauschung der nn Ziffern 11, 22, \dotsc, nn zugeordnet werden, die sich aus den den Seiten zugeordneten gewinnen läßt. Ich nehme nun an, es habe PP 2N2N Seiten und QQ Eckenzyklen. 2N2N^{\prime} und QQ^{\prime} sollen die gleiche Bedeutung für PP^{\prime} haben. Die einem Eckenzyklus von PP^{\prime} entsprechende Permutation läßt sich in zyklische Permutationen zerlegen. Bei allen Eckenzyklen mögen dabei im ganzen λi\lambda_{i} zyklische Permutationen von gerade ii Ziffern vorkommen. Dann bestehen die folgenden Relationen:

2p\displaystyle 2p =N-Q+1,\displaystyle=N-Q+1,
2q\displaystyle 2q =N-Q+1,\displaystyle=N^{\prime}-Q^{\prime}+1,
Q+2p-2\displaystyle Q+2p-2 =n(Q+2q-2),\displaystyle=n(Q^{\prime}+2q-2),
n(Q-Q)\displaystyle n(Q^{\prime}-Q) =2(p-1)-2n(q-1),\displaystyle=2(p-1)-2n(q-1),
λi\displaystyle\sum{\lambda_{i}} =Q,\displaystyle=Q,
iλi\displaystyle\sum{i\lambda_{i}} =nQ.\displaystyle=nQ^{\prime}.

Die bisher gegebenen allgemeinen Betrachtungen setzen uns nun instand, eine Reihe schöner und wichtiger Sätze über die nichteuklidische Geometrie der Kreisbogenpolygone, sowie über die Geometrie der algebraischen Kurven abzuleiten. Ich will im folgenden einige Beispiele solcher Sätze anführen, ohne mich des näheren auf Beweise einzulassen, deren Grundzüge übrigens im vorstehenden enthalten sind.

1) p=3p=3, q=2q=2, n=2n=2, m=m=4m=m^{\prime}=4.

Mit mm und mm^{\prime} sind dabei die Ordnungen der Kurven CC und CC^{\prime} bezeichnet. CC hat keinen Doppelpunkt, CC^{\prime} hat einen Doppelpunkt. Von den 28 Doppeltangenten von CC gehen sechs durch einen Punkt außerhalb der Kurve.

2) p=4p=4, q=2q=2, n=2n=2, m=4m=4, m=5m^{\prime}=5.

CC hat zwei Doppelpunkte, CC^{\prime} nur einen. Setzt man die Differentiale der reduziblen Integrale erster Gattung gleich Null, so erhält man ein Kegelschnittbüschel, dessen vier Basispunkte von den beiden Doppelpunkten von CC und zwei weiteren Punkten derselben Kurve gebildet werden. Sechs dieser Kegelschnitte berühren CC doppelt. Derjenige derselben, der CC in einem Basispunkte berührt, oskuliert daselbst.

3) p=2p=2, q=1q=1, n=2n=2.

Die Kurve CC ist ein Vielfaches von zwei verschiedenen Kurven CC^{\prime} und C′′C^{\prime\prime}. Es existiert eine Fuchssche Gruppe GG, zu der man sowohl ein erstes Polygon P1P_{1} konstruieren kann, das aus zwei Polygonen einer zu CC^{\prime} gehörigen Gruppe GG^{\prime} besteht, als auch ein zweites Polygon P2P_{2}, das aus zwei Polygonen einer zu C′′C^{\prime\prime} gehörigen Gruppe G′′G^{\prime\prime} besteht. GG ist also sowohl in GG^{\prime} als in G′′G^{\prime\prime} als Untergruppe vom Index 22 enthalten. Die nebenstehende schematische Figur möge zur Veranschaulichung der Verhältnisse dienen. Die beiden eben erwähnten Fundamentalbereiche P1P_{1} und P2P_{2} von GG sind durch die Polygone mit den Ecken AA bzw. CC dargestellt. Jedes derselben zerfällt in zwei Sechsecke, die bzw. Fundamentalbereiche von GG^{\prime} oder G′′G^{\prime\prime} sind. Um die Äquivalenz von P1P_{1} und P2P_{2} besser hervortreten zu lassen, sind die Symmetriezentren der erwähnten Sechsecke mit den Seitenmitten verbunden, sodaß alle Polygone sich in leicht ersichtlicher Weise aus den so entstehenden Vierecken aufbauen.

Ich gehe nun zu den Sätzen aus der Geometrie der algebraischen Kurven über, die uns dieses Beispiel lehrt. Wenn ich auf CC^{\prime} einen Punkt MM^{\prime} markiere, so entsprechen diesem zwei Punkte MaM_{a} und MbM_{b} auf CC. Jedem von diesen entspricht ein Punkt von C′′C^{\prime\prime}: Ma′′M_{a}^{\prime\prime}, Mb′′M_{b}^{\prime\prime}. Es entsprechen also im allgemeinen jedem Punkte von CC^{\prime} zwei Punkte von C′′C^{\prime\prime}. Ebenso kann man schließen, daß im allgemeinen jedem Punkte von C′′C^{\prime\prime} zwei Punkte von CC^{\prime} entsprechen. Die Korrespondenz (C,C)(C^{\prime},C) hat aber zwei Verzweigungspunkte M1{M_{1}}^{\prime}, M2{M_{2}}^{\prime}. Jedem von ihnen entspricht also nur ein Punkt von CC und also auch nur ein Punkt von C′′C^{\prime\prime}: M1′′M_{1}^{\prime\prime}, M2′′M_{2}^{\prime\prime}. Ebenso hat die Korrespondenz (C′′,C)(C^{\prime\prime},C) zwei Verzweigungspunkte N1′′N_{1}^{\prime\prime}, N2′′N_{2}^{\prime\prime}. Jedem von ihnen ist nur ein Punkt von CC^{\prime} zugeordnet: N1{N_{1}}^{\prime}, N2{N_{2}}^{\prime}. Wir können dann den ersten Satz, den wir anführen wollen, so aussprechen:

N1{N_{1}}^{\prime} und N2{N_{2}}^{\prime} einerseits und M1′′M_{1}^{\prime\prime} und M2′′M_{2}^{\prime\prime} andererseits fallen zusammen.

Ich gehe zum zweiten Satz über, der sich ergibt, wenn man CC^{\prime} und C′′C^{\prime\prime} als Kurven dritter Ordnung voraussetzt.

Ich kann in N1=N2{N_{1}}^{\prime}={N_{2}}^{\prime} die Tangente an CC^{\prime} ziehen. Ich verbinde ferner M1{M_{1}}^{\prime} und M2{M_{2}}^{\prime} durch eine Sekante. Diese beiden Geraden schneiden sich auf CC^{\prime}. Ebenso kann ich in M1′′=M2′′M_{1}^{\prime\prime}=M_{2}^{\prime\prime} die Tangente an C′′C^{\prime\prime} ziehen und mit der Sekante N1′′N2′′N_{1}^{\prime\prime}N_{2}^{\prime\prime} zum Schnitt bringen. Der Schnittpunkt liegt auf C′′C^{\prime\prime}.

Diese wenigen Beispiele lassen zur Genüge erkennen, wie zahlreich die besonderen Fälle sind.

PD. Poincaré (1910, 35–41).

Time-stamp: “ 4.05.2019 00:49”

Literatur